Betriebsbahnhof Tauer

 

772 008 als RB5506, Durchfahrt Bf. Tauer, 31.05.96

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Etwa auf halben Wege überholte mich eine 232er Lz. In wem keimt da nicht die Hoffnung, daß die Lok einen Zug holt? Die endlose Gerade durch den Wald wollte kein Ende nehmen, das Einfahrsignal war schon zu sehen, aber noch drei Kilometer entfernt. Als ich die Kurve kurz vorm Bahnhof erreichte, stand auf dem Überholgleis (der Bahnhof Tauer besitzt nur zwei Gleise) jene 232 mit einer langen Leine ,,Emil-Antons“. Puls- und Herzschlag schnellten in die Höhe, Schweiß lief auf die Stirn, die Hände begannen zu zittern – nein, so schlimm war es nicht, aber bei dem Zugangebot freut man sich über jeden außerplanmäßigen Güterzug. Ein Blick auf die Uhr sagte mir, daß wahrheinlich erst der Triebwagen aus Cottbus kommen wird.

Also schnell eine Standaufnahme und dann zur Ausfahrt nach Grunow. Das Stellwerk war wirklich spitze, nur stand es leider auf der ,,falschen“ Seite. So nahm ich mir die Schranke als Motiv. Kaum hatte ich mich hingestellt ging das Fenster auf: ,,Der Güterzug fährt aber in die andere Richtung!“ – ,,Triebwagen – ja, der kommt gleich und der Nahgüter kommt auch noch!“ – ,,Gut, danke!“.

Kaum war der Triebwagen durch, geht das Fenster wieder auf: ,,Willst du den Güterzug auch noch haben?“ – ,,Na, wenn ich es schaffe wäre es Super“ – ,,Ich laß ihn noch ein bißchen stehen!“ -,,Fünf Minuten reichen“. Also renne ich schnell am Zug vorbei und stelle mich an die Ausfahrt. Und da fährt er auch schon los. Der Rangierer hängt sich aus dem Fenster und ruft – ,,Schick mal ein Bild, ist der letzte“. Langsam laufe ich zum Stellwerk zurück und bedanke mich. Der Hund steht im Fenster und knurrt mich an. Frauchen beruhigt ihm aber und sagt: ,,Der tut dir doch nichts!“. Nach dem wir noch ein paar Worte gewechselt haben, laufe ich weiter. Übrigens Glück gehabt, die Güterwagen haben 3 Jahre lang im Anschluß gestanden – heute wurden sie abgeholt. Einen Monat später am letzten Betriebstag wollen wir nochmal dorthin, diesmal zu zweit und mit Auto. Der Bahnhof ist sogar in der Karte eingezeichnet und auch eine kleine Straße, die dahin führt. Aber wo geht die ab?

528177 + Lg76671, Durchfahrt Bf. Tauer, 01.06.96

Wir sehen eine PfIasterstraße, können aber nicht mehr bremsen. Also wenden und langsam ran! Diese entpuppt sich als Holperstraße der übelsten Sorte. Man muß aufpassen, daß man nicht aufsetzt. Größere Löcher sind mit Schwellen ausgebessert. Wenige hundert Meter vor der Strecke endet die Straße in einer Sandwüste.

Es hat keinen Zweck – wir müssen umdrehen. Also den nächsten Weg rein. Der ist zwar nicht gepflastert, aber besser befahrbar. Am Stacheldrahtzaun halten wir an. Der ist zwar eingerissen und der Weg frei, aber was nun? Wir probieren es. Mitten durch die Kaserne kommen wir etwas südlich vom Bahnhof an die Strecke.

Die Stellwerkerin erkennt mich sofort wieder. Während der halben Stunde, bis der Zug kommt, unterhalten wir uns. Heute ist ihr letzter Arbeitstag, berichtet sie. Ab Fahrplanwechsel wird das Stellwerk nicht mehr besetzt. Die Bahn hat ihr angeboten in Jamlitz zu arbeiten. Aber sie wollte nicht mehr. Noch anderthalb Jahre bis zur Rente – da kann man in den Vorruhestand gehen. Deswegen mußte sie nach Frankfurt, um alles zu klären. Aber dort wurde sie von einem Zimmer zum anderen geschickt – und alle redeten nur vom Geld, wieviel Abfindung sie bekommt und so weiter. Erniedriegend. Und dann fängt sie an, auf die Gesellschaft zu schimpfen und fordert die Mauer zurück – 10 Meter hoch. Auch gegen die Ausländer ist sie. Früher war sie VMT – Verantwortliche für Militärtransporte und daher kann sie perfekt Russisch. Und wenn irgendwelche jungen Russen Sprüche loslassen, quarkt sie die schon mal an. Eine Pistole hat sie auch. Neulich war sie in Polen. Da haben ihr an der Tankstelle zwei Polen die Scheibe geputzt und wollten Geld dalür. Als sie keines gab, wollten die Polen einen Spiegel abbrechen und meinten, der koste 50 DM. Da zog sie die Pistole, die im Handschuhfach liegt und weg waren sie.

Nebenbei versucht ihr Hund immer, in meinen Schuh zu beißen. Jaja meint sie, auf Schuhe steht er besonders. Zur Arbeit kommt sie immer mit ihren Trabi, der schon seit mehreren Jahren nicht mehr angemeldet ist. Aber da sie nur durch den Wald fährt und nicht weit weg wohnt, merkt das ja keiner. Rundherum war früher hier alles Truppenübungsplatz. ,,Da haben die Russen immer Krieg gespielt“. Zahlreiche Militärzüge wurden auf dem Anschlußgleis entladen. Deswegen war sie auch VMT. An ihren letzten Arbeitstag hat sie sich schick gemacht. Die Sachen sind schon alle gepackt. Den letzten Zug will sie anhalten und ein Autogramm geben lassen. Morgen muß sie auch noch zwei Stunden kommen, denn da kommen noch zwei Sonderzüge. Ihr Arbeitsvertrag läuft noch bis zum 1.8. Aber sie muß noch den ganzen Jahresurlaub nehmen – plus Resturlaub vom letzten Jahr. Hinzu kommt eine saftige Abfindung und 3 Monatsgehalte. ,,Bloß raus aus dem Laden – das macht doch keinen Spaß mehr!“

Und wie alle Bahnmitarbeiter schimpft sie auch auf die Bahn. Langsam kommt die Zeit und der Triebwagen wird vorgemeldet. So schnell zum Standpunkt. Damit der Zug nicht so schnell kommt, fragen wir sie, ob sie ihn etwas ,,stutzen“ kann – kein Problem.

Danach verabschiedeten wir uns und wünschen ihr alles Gute. Sie gibt uns noch ein Tip, wie wir besser zurück kommen – nämlich über Jamlitz. Der Waldweg ist besser, man kann mit 80 durchheizen. Am nächsten Tag fahren die beiden Sonderzüge. 528177 mit Fotogüterzug und 032204 mit VLV -Sonderzug.

Und so werden die Erlebnisse noch lange erhalten bleiben vom Bahnhof mitten im Übungsplatz.

 

 

© Michael Scheppan 1996

Am 30. April 1996 fuhr ich an die Strecke Grunow-Peitz.Von mehreren Seiten hatte ich den Tip bekommen, daß im Betriebsbahnhof Tauer ein schönes Stellwerk stehen soll. Da wollte ich an diesen Tag hin. Sowohl mit als auch ohne PKW ist dieser Bahnhof aber schwer zu erreichen, da er mitten ,,in der Pampa“ liegt. Ich schreckte aber nicht vor dem 14km Fußmarsch von Peitz nach Jamlitz zurück, denn dazwischen liegt der genannte Bahnhof. In Peitz angekommen, fragte ich gleich beim Fahrdienstleiter nach Güterzügen. Der meinte, daß gleich die Übergabe nach Weichensdorf kommen soll. Also schnell ein Foto mit dem Stellwerk und ab gings.

 

 

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